Glibber: Bildung, Forschung, Arbeitswelt
Glibber: Bildung, Forschung, Arbeitswelt
     


Der müde Beamte
Ich tu langsam essen, ich tu langsam trinken,
wenn ich mich verabschied, tu ich langsam winken.
So war das schon früher, so wird's immer sein,
das Einzige, was schnell geht, ich schlafe schnell ein.
Ich hab' nämlich immer schon die Ruhe geschätzt,
denn ich kann's nicht vertragen, wenn man mich hetzt!

Ich suchte mir Arbeit, wo Ruhe man hat,
darum wurde ich Beamter bei der Stadt.
Schon als ich mich vorstellte, ach wie vertraut,
hörte ich es aus allen Zimmern - man schnarchte laut.
Ich sagte dann mein Sprüchlein auf, sehr nett und fein
dann wurde ich müde und schlief ein.
Der Chef weckte mich nach Stunden sehr gerührt:
"Sie gehören zu uns, sie sind engagiert!"
Sofort wurde ich in das Paßamt gesetzt,
doch ich kann nicht vertragen, wenn man mich hetzt!

Aber in diesem Amt, oh, war das ein Malheur,
schlafen Sie einmal bei Publikumsverkehr.
Um sieben Uhr strömen die Menschen zu hauf,
um acht soll es losgehen, um neun mach ich auf.
Um zehn war vor Arbeit ich restlos erschossen,
hab' fast abgebaut und schnell die Tür verschlossen.
Sofort fuhr ich mit einem Taxi nach Haus
und ruhte mich von der Anstrengung erst einmal aus.
Meine Frau ist vor Angst zum Doktor gewetzt,
denn ich kann nicht vetragen, wenn man mich hetzt!

Darauf hin kam ich in die Stadtkasse, dort war ich fünf Wochen,
und eines Nachts wurde dort eingebrochen.
Mit einem Schlüssel sind die Kerle hineingekommen,
auch ich war verdächtig, wurde von der Kripo vernommen.
Da sprach der Chef ein hilfreiches Wort:
"Von dem da, laßt die Finger fort,
der Penner kann niemals der Täter sein,
der schläft ja hier fast im Stehen ein!"
Das hat mich aber maßlos verletzt,
denn ich kann nicht vertragen, wenn man mich hetzt!

Und lenke ich morgens mit müdem Sinn,
meine Schritte ganz langsam zum Stadthaus hin,
dann habe ich oft schon so gedacht:
"Was ist das nur, was mich so groggy macht?"
Dieses ewige Sitzen und Kopfaufstützen
bringt den stärksten Mann zum Schwitzen!
Bis zum Frühstück schmerzt mir schon jedes Glied,
dann lege ich meinen Kopf auf den Tisch und werde müd.
Und falle ich dann vom Stuhl, ist mein Kollege entsetzt,
der kann nämlich auch nicht haben, wenn man ihn hetzt!

Die nächste Stufe zur Pensionsberechtigung,
die nahm ich, und diesmal wirklich mit viel Schwung.
Ich wurde dann Mitarbeiter beim Amt für Wirtschaftsfragen
und liebe Leute, wass soll ich Euch sagen.
Das war da ein Leben, ganz gewiß nicht leicht.
Ich mußte praktisch prüfen, ob alles richtig geeicht,
die Gläser für Schnaps, für Bier und Wein
und war ich dann voll, schlief ich gleich ein!
Gar oft wurde ich vor die Tür gesetzt,
denn ich kann nicht vertragen, wenn man mich hetzt!

Zum Geburtenregister beim Standesamt
hatte man mich zwischendurch ernannt.
Ich dachte, das ist ein Amt der Stille,
denn die Leute nehmen doch die Pille.
Es kommen am Tag so sechs bis acht
und dann wird der Laden dicht gemacht.
Doch es kamen fast 50 mehr als mir lieb,
ich hatte glatt unterschätzt den Fortpflanzungstrieb!
Habe mir die Finger ganz wund geschrieben.
Was müssen die Simpel sich auch soviel lieben.
Den Amor mit Bogen und Pfeil, den schätze ich ja sehr,
aber der Kerl schoß doch glatt mit einem Maschinengewehr.
Und hatte das Fernsehen gar einmal ausgesetzt,
dann wurde ich förmlich zu Tode gehetzt!

Erst kürzlich kam eine Verordnung heraus,
daß alle Beamten im ganzen Haus,
so morgens gegen zehn Uhr einen Underberg nehmen,
das wär keine Reklame und man braucht sich auch nicht schämen.
Denn die in Bonn hatten das getestet, das wäre gut,
wenn man zwischendurch einmal arbeiten tut.
Und wirklich, ich kann es nicht anders sagen,
der Underberg hat fleißig gearbeitet im Magen.
Die meisten waren ganz schön entsetzt,
denn wer kann schon vertragen, wenn man ihn hetzt!

Doch alles in allem konnte ich mich noch loben,
denn ich habe meist eine ruhige Kugel geschoben.
Auf manche Akte konnte ich schreiben:
Erledigt durch längeres Liebenbleiben.
Und kam mal ein Vorgang, wo drauf stand: "Eilt sehr!"
Ging ich ran wie die Feuerwehr.
Dann wurde mir höchste Eile gepredigt
und in einem halben Jahr war dann auch alles erledigt.
Nur an eines mußte ich mich erst gewöhnen,
jeden Morgen zehn Minuten zu gähnen.
Und ging dann eine Klingel - pssst - war Ruhe im Haus,
die müden Beamten ruhen jetzt aus.
Nur ganz leicht habe ich mir dann die Stirn benetzt,
denn ich kann nicht vertragen, wenn man mich hetzt!

In letzter Zeit steigert man aber auch die Norm,
das macht die Bonner Verwaltungsreform.
Jetzt ist es bei uns nicht mehr sehr bequem,
das reinste "Stachanow-System".
Und immer wieder gibt es neue Paragraphen,
die muß man studieren, doch man möchte schlafen.
Aber dennoch blieb dort ich im Rathaus drin,
und freue mich, daß ich Beamter bin.
Bekomme ich auch nur einen recht kärglichen Lohn,
ich hab' meine Ruh und krieg später Pension!
Das steht mir auch zu, dafür war ich ja brav,
denn den Seinen gibt es doch der Herr im Schlaf!
Und hab' ich meine Pension und zur Ruh mich gesetzt,
dann ist es mir egal, ob man die Beamten noch hetzt!


Letzte Aktualisierung dieser Seite: 10.07.2008, 19:30 Uhr